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Sommer 2005 Itter am Stauwehr des Schaafenkottens |
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- Karl Theodor und das Itterwasser (1784) - Kaiser Wilhelm und das Itterwasser (1878/1884) - Wasserwerke (ab 1890) - Mottforellen (1914) - Fischvergiftung (1914) - Fischgewässer ohne Fische (1919/1927) - Städtische Abwässer (1925) - Fabrik-Abwässer (1929) - Schaum auf der Itter (2006) |
Von Zeit zu Zeit sieht die Itter nicht so aus, wie man es von einem Bach in einem Landschaftsschutzgebiet erwartet. Und manchmal riecht sie auch nicht so. Einen besonders beunruhigenden Anblick bot sie Anliegern und Passanten im März 2006. Die örtliche Presse berichtete mehrfach über den dicken Schaumteppich auf dem Wasser, der dem Mikrokosmos darunter schlecht bekommen ist.
Karl Theodor und das Itterwasser (1784)
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Die Heimat Jg. 40, Nr. 3 Mai / Juni 1974
Kaiser Wilhelm und das Itterwasser Die Behörden entwickelten fieberhafte Aktivität
"Das Wasser der Itter wurde schon [...] 1878 über den Lochbach durch gewerbliche Abwässer verschmutzt. Damals wurde es einer Ohligser Färberei erlaubt, über einen zu erbauenden Kanal Färbereiabwässer in den Lochbach einzuleiten. Allerdings sollte das Abwasser vorher ein Klärbecken, mit Sand oder Asche als Filtermaterial gefüllt, durchlaufen. In der Folge beschwerte sich ein Hildener Anlieger, kurioserweise ebenfalls eine Färberei, über eine Beeinträchtigung der Fabrikation durch das manchmal pechschwarze Itterwasser. Bei der Herstellung einer bestimmten Farbe war man auf sauberes, klares Itterwasser angewiesen, und das stand nun nicht mehr zur Verfügung.
Nun entwickelten die Behörden eine fieberhafte Aktivität. Den Fabriken wurden Termine gesetzt zur Erfüllung der Auflagen.
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Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) sollte bei seinem Besuch von Schloß Benrath nicht von den Ausdünstungen des Itterwassers belästigt werden. |
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Theodor Kelders (1832-1910) Bürgermeister in Ohligs (1863-1889) |
Warum hinterlassen diese fieberhaften behördenseitigen Aktionen einen faden Nachgeschmack? Vielleicht, weil die gefährlichen Ausdünstungen erst dann gefährlich genug zum Eingreifen waren, als die Gefahr einer Belästigung der Allerhöchsten und Höchsten Nasen bestand? Und weil nach der kaiserlichen Visite diese Gefahr abnahm, nahm das Itterwasser - trotz oder wegen des technischen Fortschritts - bald wieder an Farbvarianten und ungesunden Duftnoten zu. |
Wasserwerke (ab 1890)
1890/91 wurde während der Amtszeit des Bürgermeisters Heinrich das Wasserwerk ("ein eigenes Wasserbecken") in Unten-Itter in Wald gebaut. Nachdem aber im Oktober/November 1897 eine Typhusepedemie in Wald zu 157 Erkrankungen und 12 Todesfällen geführt hatte, wuchs die Skepsis gegen die Wasserversorgung aus der Itter erheblich, da die Verseuchung des Itterwassers als ursächlich für die Erkrankungen angesehen wurde.
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Unten-Itter, Pumpwerk. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
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Um 1928 Wald, Wasserturm, Ecke Schlagbaumer / Germanenstraße. 2008 wird er gastronomisch genutzt. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen. |
Wasserturm, Turm mit einem Wasserbehälter, von dem aus ein angeschloss. Wasserleitungsnetz gespeist wird, zur Erzeugung des nötigen Wasserdrucks, wobei d. Behälter höher liegen muß als der höchste Wasserhahn des Netzes. [Beckmann]
"Die an der Oberfläche liegende Wassermenge hat zur Unterlage eine dünne, den Abbau nicht lohnende Eisenschicht, die sich unter dem ganzen Hildener Gebiet hinzieht und stellenweise zutage tritt, während sie anderwärts 3 bis 6 m tief liegt. An den erstgenannten Stellen ist der Boden sumpfig, das Wasser sehr eisenhaltig. Letztere liefern durchweg ein gutes Trinkwasser.
Der größte Teil Gräfraths hingegen erhielt bis 1935 sein Wasser aus Elberfeld (Wuppertal). Das Elberfelder Wasserwerk lieferte einwandfreies Wasser (Stand 1928) auch an Haan, Benrath, Hilden und Mettmann. [Lomberg S. 198] |
2006 Brauhaus im Wasserturm an der Schlagbaumer Straße |
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2006 Ehemaliger Wasserturm in Gräfrath (gegenüber der Fauna), ab 1993 zum Lichtturm umgestaltet von Lichtdesigner Johannes Dinnebier |
Aber zurück zum Itterwasser, das weiterhin alles andere als einwandfrei war. |
Mottforellen (1914)
Ein optisches und geschmackliches Problem wurde anno 1914 aktenkundig:
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Um 1915 Das Ausflugslokal Heidberger Mühle Ansichtskarte Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
Die Beschwerdeführer vermuteten, dem Bach seien fremde Stoffe zugeführt worden. Beide waren auch Fischzüchter und fürcheten um ihre Goldorfen und Karpfen. "Weiter wurde behauptet, das trübe Wasser rühre von Tiefbauarbeiten zwischen Mittelitter und Obenitter her, denn oberhalb dieser Stelle sei das das Wasser klar." An besagter Stelle baute der Fabrikant C. Friedrich Ern gerade das Ittertaler Strandbad. So bot es sich für die Stadt Wald an, ihm kurzerhand die Schuld zuzuschieben.
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1913-1916 Ittertaler Strandbad im Bau Bild-Quelle: Werbeprospekt Strandbad |
Fischvergiftung (1914)
Belastetes Wasser stellte auch der Kohlenhändler Albert Schäfer aus Gräfrath fest. Er hatte 1909 die Fischerei im Ketzberger Bach, Unten zum Holzer Bach, Flockertsholzer Bach und in der Itter gepachtet.
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Fischgewässer ohne Fische (1919 / 1927)
Nach dem Ersten Weltkrieg, am 23.01.1919, wurde die Fischerei in den Gräfrather Bächen bis zum 31.01.1931 noch einmal verpachtet, und zwar
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Städtische Abwässer (1925)
Auch in den Folgejahren waren die Selbstreinigungskräfte der Natur - in diesem Fall im unteren Lauf der Itter - überfordert.
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Fabrik-Abwässer (1929)
Anscheinend aber doch nicht genug, denn: Um ernstzunehmende Verunreinigungen ging es in einem Prozess, den 1929 Ohligser und Hildener Firmen, Schleifereibesitzer, Landwirte und der Besitzer der Brucher Mühle gegen einen Ohligser Industriebetrieb anstrengten.
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April 2006 Ein Kerker für den Krausener Bach |
Die Firma bestritt die Berechtigung der Klagen. Sie behielt sich aber für den Fall einer Verurteilung etwaige Regressansprüche gegen andere Itteranlieger vor, unter anderem gegen die Stadt Solingen, weil ein großer Teil der Verschmutzung darauf beruhe, dass Abwässer eines Teils von Wald ungeklärt in den Krausener Bach und damit in die Itter geleitet würden.
»In einer Industriegegend müssen die Bewohner auch damit rechnen, daß gewisse Unbequemlichkeiten und mit dem Fortschritt der Industrie auch gewisse Änderungen gegen früher eintreten. Die Rechtsprechung der Verwaltungsbehörden weist zum Beispiel Einsprüche, die gegen die Anlage ruhestörender Maschinen wie Fallhämmer und dergleichen gerichtet sind, ständig mit der Begründung zurück, daß derjenige, der in einer Industriegegend wohne, derartige Belästigungen in Kauf nehmen muß.«
"Wo das Tal breiter wird, erreichen wir die Ortschaft Unten-Itter und den Ausflugsort 'Ittertaler Tannenpark'. Von hier können wir weiter wandern nach Haan, oder über das auf Walder Gebiet gelegene sehr schöne Ittertaler Strandbad nach Wald und Gräfrath. Auch können wir vom Strandbad oder schon vom Ittertaler Tannenpark aus auf der anderen Talseite zurück nach Ohligs gelangen." [S. 67] |
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Die Gaststätte Ittertaler Tannenpark in Unten-Itter gibt es nicht mehr. Um 1928 war Heinrich van Holt der Inhaber. Das Haus steht noch. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
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Herbert Weber beschreibt in seinem Aufsatz das weitere Vorgehen und das befremdliche Argumentieren der Prozessbeteiligten. Erschreckend sind m.E. nicht nur die festgestellten Zustände, sondern auch das völlige Fehlen einer (gemeinsamen) Suche nach Problemlösungen.
"Die Itter wurde bis oberhalb Bausmühle besichtigt. Im Nümmener Bach entdeckte man neben ungeklärten Hausabwässern säurehaltige Abwässer einiger Gräfrather Firmen, von denen eine auch vorher schon zum Schadensersatz gegen einen Wasserradbesitzer an der Bausmühle verurteilt worden war. Vom Landgericht wurde am 22. Mai 1930 die Erstellung eines Gutachtens über den verschmutzten Zustand der Itter angeordnet.
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Quellen:
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